Maggy Nagel au sujet du domaine de la culture au Luxembourg

"Mehr Akzeptanz"

Interview: Laurent Graaff

Revue: Die Absage der Expo über den Ersten Weltkrieg hat für eine Menge Diskussionen gesorgt. Wie sehen Sie das im Nachhinein?

Maggy Nagel: Nicht anders als noch vor ein paar Wochen. Wir müssen mit dieser Ausstellung nichts überstürzen. Die Arbeit, die bislang seitens der Historiker geleistet wurde, ist vorzüglich und wird nicht umsonst gewesen sein. Wir wollen mit dieser Ausstellung aktiv auf die Menschen zugehen. Man kann nicht einfach so eine Expo machen in der Hoffnung, dass sie ein Erfolg wird. Dafür ist das Thema Erster Weltkrieg zu wichtig. Das gilt im Übrigen auch für den Zweiten Weltkrieg. Man muss sich mit seiner Vergangenheit beschäftigen, sonst kann man die Gegenwart nicht richtig einordnen. Und das wäre schlecht, schließlich muss man stets Entscheidungen treffen.

Revue: Wie sehen Sie ihr Amt?

Maggy Nagel: Es ist ein faszinierender Job. Ich entdecke jeden Tag etwas Neues. Die Kultur ist ein weitläufiger Bereich. Ich möchte aber noch einmal auf unsere Geschichte zurückkommen. Wir werden auch das Institut für Zeitgeschichte aufbauen und zwar sehr rasch. In Sachen Forschung wird die Uni dabei eine gewichtige Rolle spielen. Mit der Stadt Esch und dem dort angesiedelten Resistenzmuseum haben wir bereits den richtigen Partner gefunden. Es gab bereits Gespräche, eine Arbeitsgruppe tagt regelmäßig. Es ist zweifellos ein ambitiöses Projekt, deshalb müssen auch alle Beteiligen mit anpacken. Auch die Villa Pauly kommt für dieses Institut in Frage.

Revue: Was wollen Sie jetzt (ver)ändern?

Maggy Nagel: Die CSV hatte die Kultur lange Jahre unter ihren Fittichen. Dennoch gibt es hier viel, sehr viel aufzuarbeiten. Angst davor habe ich nicht, schließlich habe ich als Bürgermeisterin 20 Jahre lang viel im kulturellen Bereich auf die Beine gestellt. Denn über Kultur kann man Menschen zusammenführen, anhand der Kultur kann man sich identifizieren. Jetzt als Minister ist all das natürlich ein paar Nummern größer, vom Prinzip her aber gleich geblieben. Ich habe hier ein prima Team vorgefunden, allerdings hat es bei meiner Vorgängerin nicht oft genug das nötige Gehör gefunden. Und so etwas ist schade. Ich bin hier nicht der große Manitu, ich will in erster Linie die Kultur erleben. Deshalb wird bei mir auch der zwischenmenschliche Kontakt großgeschrieben. Ich kann, denke ich, nach sechs Monaten ein positives Zwischenfazit ziehen: Ich habe mich mit sehr vielen Akteuren aus den Instituten, aber auch aus dem assoziativen Bereich an einen Tisch gesetzt und diskutiert. Und bei meinen Mitarbeitern scheint diese neue Art zudem gut anzukommen. Man müsse jetzt nicht mehr so verkrampft zur Arbeit kommen, hieß es. Warum ich nicht schon eher dieses Amt angetreten habe, hieß es ebenfalls, wobei das natürlich auf einem ganz anderen Blatt steht... (lacht).

Revue: Das mit dem Aufarbeiten müssen Sie noch näher erläutern?

Maggy Nagel: Ich habe hier einen Menge guter Ideen und Projekte vorgefunden, aber leider hat bei meinen Vorgängern die politische Courage gefehlt, all dies umzusetzen oder aber diese Leute standen sich selbst im Wege. Ich will aber jetzt auch nicht everybody's darling sein, sondern ich bin hier, um das was im Koalitionsabkommen festgehalten wurde in Musik umzusetzen. Das passt ja auch ganz gut...

Revue: Zudem soll wohl alles in Rekordzeit umgesetzt werden?

Maggy Nagel: Es ist wichtig Entscheidungen, schnell zu treffen. Ist man als Minister gut beraten und verfügt über eine motivierte Mannschaft, kommt man rasch voran. Mir kommt entgegen, dass ich zudem immer noch sehr "kommunal" denke. Das hilft, denn die Kultur spielt sich ja auch auf Gemeindeebene oder regional ab.

Revue: Angst, dass irgendwann auf Kosten ihres Ressorts gespart wird?

Maggy Nagel: Mich stört das Wort "sparen". Als wir die Reise der Philharmoniker abgesagt haben, waren wir auf Regierungsebene gerade dabei, die Ausgaben unter die Lupe zu nehmen. Wir haben alle zusammen beschlossen, dass die Philharmoniker nicht nach China fahren, schließlich musste auch ich mit meinem Ressort auf diese ominösen 10 Prozent Minderausgaben kommen. Wir müssen jetzt vieles in der kulturellen Arbeit generell überdenken und den heutigen Umständen entsprechend anpassen. Wir brauchen eine bessere Koordinierung, viel Transparenz und mehr Akzeptanz draußen bei den Menschen. Qualität statt Quantität, ist das Schlagwort. Sonst sind die Leute doch irgendwann übersättigt. Ich habe auch die Überarbeitung der vielen Konventionen mit dem kulturellen Sektor angeordnet. Wir brauchen in Zukunft klarere Regeln und Kriterien, die die kulturelle Arbeit der Häuser genauer definiert und den finanziellen Zuschuss verbessert. Dennoch: Kultur ist sehr vielfältig und lebendig. Diese so spannende Vielfalt werde ich berücksichtigen, wobei es natürlich nicht ohne Richtlinien geht.

Revue: Und jetzt hat die ganze Szene Angst, weil die existierenden Konventionen gekündigt werden...

Maggy Nagel: Ja, das stimmt. Die Konventionen werden, wie angekündigt, allesamt gekündigt, deshalb sollte sich aber die Kulturszene mit all ihren Akteuren nicht in einen Angstzustand versetzen. Wir lassen niemanden im Regen stehen. Es wird eine Bestandsaufnahme gemacht, Fragebögen müssen ausgefüllt werden, manches wird überdacht oder bekommt eine andere Zuordnung. Tourismus, Wirtschaft etwa. k Dann erst wird das 2016 er Budget aufgestellt, wobei die Planung nicht kurzfristig, sondern langfristig, spricht über fünf Jahre geht. Nur dann haben die Kulturschaffenden eine gute Basis oder besser gesagt die Sicherheit, die sie brauchen um kreativ arbeiten zu können.

Revue: Was ist mit dem Künstlerstatut?

Maggy Nagel: Ich will den Künstler nicht in "ein Statut" zwängen. Er braucht aber soziale Absicherung, um sich entfalten zu können, um seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Ich bin mir auch bewusst, dass in Sachen Statut rasch nachgebessert werden muss.

Revue: Wie ist mit den Prunkbauten?

Maggy Nagel: Davon haben wir genug. Ich werde die Ehre haben, die neue Nationalbibliothek einzuweihen, wobei beim Bau wenig rationell vorgegangen wurde. Warum hat man nicht auch gleich an das Staatsarchiv gedacht indem das Erbe unseres Landes verwahrt wird. Jedes Jahr kommen zwischen zwei und drei Kilometern an Akten hinzu. Das Projekt auf Belval wurde leider kostenbedingt gestoppt, ohne Ausarbeitung anderer Alternativen. Ich kann nicht nachvollziehen warum dem so ist. Das Staatsarchiv, in dem bekanntlich auch das gesamte SREL-Archiv untergebracht ist, ist auch eine Hinterlassenschaft, die einer Lösung bedarf. Wir werden eine finden, wobei klar ist, dass es kein Prunkbau wird, sondern ein funktionelles Gebäude in dem man die Bedingungen vorfindet, die Staatsarchive eben brauchen.

Revue: Unter Ihnen wird die Kultur weniger elitär, sondern populärer werden?

Maggy Nagel: Ja, das kann man durchaus so sehen. Wir müssen noch näher an die Menschen heran. Kultur ist auch ein wichtiger Integrationsfaktor, und in der Hinsicht steht unsere Gesellschaft n den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Kulturelle Projekte sollten neugierig machen und nicht auf Ablehnung stoßen. Außerdem muss die Kostenaufteilung stimmen, trotz aller leidigen Diskussionen die das auslösen wird. Gegenwärtig ist es so, dass nur 30 bis 40 Prozent in die Kultur direkt fließen, der Rest des Budgets deckt die Funktionskosten und die Gehälter. Das kommt daher, dass die Kulturpolitik jahrelang nicht in Frage gestellt wurde. Das kann man zwar jetzt nicht rückgängig machen, aber man kann zumindest einen Schlussstrich darunter ziehen.

Revue: Was passiert mit dem Denkmalschutz, der oft im Kreuzfeuer stand?

Maggy Nagel: Auch hier werde ich etwas unternehmen, insbesondere was die Tatsache angeht, dass der Denkmalschutz und die Arbeit dieser Verwaltung oft als eine Art Bremse angesehen wurde und bisweilen auch immer noch wird. Dabei kommt dieser Verwaltung die wichtige Aufgabe zu, jedes Kulturgut zu schützen, was schützenswert ist. Ich hatte fast 20 Sitzungen mit den Vertretern der Verwaltung seit ich im Amt bin. Am Tisch saßen aber stets auch die betroffenen Gemeinden oder Privatleute, sowie die Verantwortlichen vom Fond de Logement, dem SNHBM (Anm. d. Red.: Socidtd Nationale des Habitations à Bons Marché) und Archäologen. Ich setze auch hier auf Dialog und direkte Kommunikation. Ich denke, in dieser Hinsicht kann man bereits jetzt von "simplification administrative" sprechen.

Revue: Ein Wort noch zur Filmbranche. Man sagt, dass dies das "Dada" der neuen Ministerin sei...

Maggy Nagel: Weil ich jetzt ein paar Tag in Cannes war? (lacht). Ich habe dort ein paar interessante Gespräche geführt und wichtige Akteure kennengelernt. Ich hatte bis dato auch noch nicht die Gelegenheit den deutschen und den österreichischen Kulturminister zu treffen, was aber in Cannes der Fall war. Die nationale Filmbranche genießt auf internationalem Parkett einen sehr guten Ruf. Und diese Branche hat Zukunftsperspektiven. Ich bin gerade dabei die heimische Filmindustrie, die ja noch sehr jung ist aber großes Potential hat, zu entdecken. Allerdings müsste sie auch weitere Arbeitsplätze schaffen, sonst kann man nicht von Perspektiven sprechen.

Revue: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten...

Maggy Nagel: ... dann wünschte ich mir, dass ich weiterhin einen gesunden Menschenverstand an den Tag lege, wenn ich Entscheidungen treffe. Und weiterhin auf so viel Dialogbereitschaft treffe wie bislang. Der eine oder andere wirft mir vor, nicht genug vor Ort zu sein. Es ist aber nun mal so, dass ich mich erst einarbeiten werde, bevor ich irgendwo hingehe und Reden halte. Ich will mir zunächst einen Überblick verschaffen und verstehen wie kulturelle Ereignisse den menschlichen Austausch noch stärker fördern können und in alle gesellschaftlichen Schichten einfließen müssten. Besonders sollte Kindern und Jugendlichen die Tür zur Kultur weit offen stehen. Und dies zu sozialen Preisen die keinen Menschen ausschließen dürfen!

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